Mein Weg zur Diagnose, Teil 1

Meine persönliche Geschichte beginnt mit einer Beerdigung im März 2021. Dort infizierte ich mich mit SARS-CoV-19, kurz: Corona. Jung und gesund dachte ich mir nicht viel dabei: Die akute Erkrankung verlief zwar heftiger als alle vorherigen, aber es gab keinen Grund zur Annahme, dass sich mein Leben von Grund auf ändern sollte. Vor allem die extremen Kopfschmerzen gepaart mit Sehstörungen und Schwindel machten mir nach ein paar Tagen Sorgen, aber es war nicht schlimm genug, als dass ich damit zum Arzt gehen würde.

Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

Nach zwei Wochen telefonischer Krankschreibung habe ich mich wieder in die Arbeit gestürzt. Zum Einen wegen der Quarantäne, zum Anderen als Trauerbewältigung.
Arbeiten und Lernen sind meine bevorzugten Copingmechanismen. Die Ablenkung lässt die Zeit schneller vergehen, solange, bis sich der Schmerz irgendwann normal anfühlt.

Psychisch ging es mir immer besser. Körperlich jedoch nicht, im Gegenteil. Irgendwann konnte ich meinen Blick mehr fokussieren, nahm alles verschwommen wahr. Wörter sprangen wild durch alle Zeilen und die stechenden Kopfschmerzen ließen nicht mehr nach.
So begann meine erste Ära der Stille und Dunkelheit.
Nachdem ich wochenlang mehr Zeit auf dem Sofa als am Schreibtisch verbracht hatte und eine halbtägige Konferenz mich komplett ausgelaugt zurückließ, zog ich die Notbremse.
Ich ging zum Arzt. 

Rückblickend betrachtet war das zu spät. Viel zu spät.
Meine Angst vor Ärzten war stärker als alle Symptome, die ich hatte.
Es grenzt an ein Wunder, doch Jahre später habe ich Ärzte gefunden, denen ich vertraue – und umgekehrt. Gendern muss ich hier nicht, wie du unter dem Link: Mein Behandlungsteam nachlesen kannst.

Ich hatte großes Glück: Mein Hausarzt bestand sowohl auf eine psychosomatische Abklärung ebenso wie auf Untersuchungen von Herz, Lunge und Nervensystem/Gehirn. Was damals gute klinische Praxis war, steht heute in der AWMF Leitlinie zu Long Covid. 

Der Anfang vom Ende

Ohne auffällige körperliche oder psychische Befunde blieb nur Long Covid als Erklärung für meine Probleme. Mit der Krankschreibung kam eine Zwangspause und mit ihr der körperliche Totalzusammenbruch. Ich hatte unwissentlich über Wochen meine Ressourcen überschritten und musste nun dafür bezahlen: unendliche Erschöpfung, Kurzatmigkeit, Herzstolpern und die komplette Unfähigkeit, meine Augen zielgerichtet zu nutzen. Kein Buch, kein Buchstabe, kein Bildschirm, kein Tageslicht, nix. Ich bin so dankbar, dass ich damals nicht wusste, dass sich das in den nächsten vier Jahren nicht ändern würde.

Wünsche, Ziele, Hoffnung

Mit der Zeit erholte sich mein körperlicher Zustand. Nach einem halben Jahr konnte ich wieder spazieren gehen, Fahrrad fahren und sogar joggen. Eine Kortisonstoßtherapie brachte mir für ein paar Wochen das Sehen, Lesen und Schreiben zurück, das war um Weihnachten 2021. Diese vier Wochen gaben mir mein Leben zurück und damit den Glauben, dass ich wieder gesund werden würde, wenn wir nur die richtigen Hebel fänden.

Kortison ist ein Wundermittel – und ein Teufelszeug. Die Long Covid-Symptome verschwanden, doch insgesamt verschlechterte sich mein Gesamtzustand so dramatisch, dass er ein sofortiges Absetzen erforderte.
Damit kamen all die Symptome zurück, die mich seit Monaten quälten. Sie waren schlimmer als je zuvor. Und ich verlor meine Hoffnung, in den nächsten Jahren wieder ein normales Leben führen zu können.

Erst wenn alle Hoffnung verloren ist, öffnet sich eine neue Tür

2022 begann vollkommen perspektivlos. Ich war keinen Schritt weiter gekommen, im Gegenteil. Nachdem ich für ein paar Wochen ein fast normales Leben geführt hatte, erschien es mir umso schrecklicher, wieder in die Long Covid-Realität zurückzukehren.
Meine Familie und Freunde waren keine Hilfe. Ihnen war jede Erklärung und Schuldzuweisung recht, von Stress bis Überempfindlichkeit, nur eine echte körperliche Erkrankung war keine davon.

Aber wie so oft öffnen sich erst in der absolut dunkelsten Phase (“Wie um alles in der Welt soll ich diesen Albtraum auch nur noch eine Woche aushalten?!”) neue Optionen. Ich konnte an einer ersten Studie teilnehmen und bekam nach sieben Monaten warten endlich einen Termin in der Long Covid Ambulanz. Zumindest bis dahin konnte ich durchhalten.

Wie mein Weg weiter verlief, liest du nächste Woche.


Beitrag veröffentlicht

in

, ,

von

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert