Schreiben gegen das Vergessen

Mein Schwiegervater schrieb mir vor Kurzem einen Brief und darin von seinem neusten Experiment: Er notiert sich jeden Abend, was er erlebt hat, was ihn bewegt oder wofür er dankbar ist. Schreiben gegen das Vergessen, so nennt er es augenzwinkernd. Ich habe oft versucht, ein Tagebuch zu führen. Egal ob als Kind, auf Arbeit im Projekt oder zur Zeiterfassung – nach wenigen Tagen kamen die ersten Lücken, erst Tage, dann Wochen, allzu bald gefolgt vom letzten Eintrag. Tagebuch schreiben, das liegt mir nicht. Doch manchmal schaffe ich es, über Alltägliches zu schreiben, einem Gedanken oder einem allumfassendes Gefühl ein Denkmal auf Papier zu bauen.

Für mich ist das sehr anstrengend und sehr wichtig zugleich. Im Schreiben kann ich Gedanken verarbeiten, die meine Gehirnwindungen verstopfen. Ich kann Formulierungen finden, die mir helfen, meine Situation so zu beschreiben, dass andere sie besser verstehen. Ich kann meine Symptome, Fragen, Ängste, Freuden, Ideen, Erfahrungen und Erkenntnisse festhalten. Ich kann meine Gedanken aus einer Zeit lesen, die Lichtjahre entfernt zu sein scheint. Eine Zeit, als ich Hoffnung hatte, als ich Pläne hatte, als es mir besser oder schlechter ging. Eine Zeit, die vielleicht zwei Jahre oder auch nur zwei Tage zurückliegt.
Auch ich schreibe gegen das Vergessen.


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